Marvin's Geschichte
Angefangen hat bei Marvin alles im August 2018, wir waren gerade ein halbes Jahr umgezogen, mit einem Sturz vom Dach. Bis dahin war Marvin 2 Jahre alt, ein unauffälliger Kater, keine aggressiven Ausbrüche.
Wir hatten im oberen Stock Dachfenster, die wir vermeintlich abgesichert hatten. Dabei haben wir Marvin's Freiheitsdrang und Beutetrieb unterschätzt. Kurzum, Marvin gelangte aufs Dach, ist aus unerklärbaren Gründen übers Dach gekullert und etwa 5 bis 6 Meter abgestürzt, vermutlich auf hartem Boden aufgekommen. Wir waren zuhause und hatten Geräusche vom Dach gehört und konnten Marvin sofort draußen holen. Es war Freitagabend, langer Weg erst zum Notfalltierarzt, der im Röntgenbild eine Trümmerfraktur des rechten Vorderfusses diagnostizierte. Nach Gabe von Schmerzmittel in die etwa von dort 30 km entfernte Tierklinik gefahren zur stationären Aufnahme. Hier wurde Marvin nach Behandlung des Schockzustandes und Absprache mit uns die sehr komplizierte Trümmerfraktur mit Schrauben, Draht und einer zusätzlich stabilisierenden Platte ellbogennah versorgt. Das Bein amputieren kam für uns nicht in Frage, da gute Chancen bestanden zur Heilung und Wiederherstellung. Aufklärung der Klinik: ca 7 Wochen Quarantäne in einer grossen Hundebox, in der Katzenklo und Fressnapf Platz findet, da Marvin nicht springen durfte.
Eindringliche Warnung Marvin nicht raus zu lassen, da das OP-Ergebnis sonst gefährdet ist und eine 2. OP dann nötig ist. Wir hielten uns strikt daran, was sind 7 Wochen für den Rest seines Lebens. Es kam schlimmer.
Marvin litt sehr unter diesem Zustand, was verständlich ist. Kontrolle nach 5 Wochen, Röntgen: Platte verschoben, keine optimale Verheilung. Warum diese verschoben war, wusste niemand. Marvin musste nochmal operiert werden, bekam Fixateur von Ellbogen bis Unterarm um die Frakturstellen zu fixieren. Alles verbunden hiess es ab jetzt nochmal 7 - 8 Wochen in die Box. Es tat mir in der Seele weh. Wir zogen es durch, mit dem Ergebnis, dass Marvin immer mehr sein Fressen verweigerte, ich ihn füttern musste und er gesundheitliche Probleme bekam, sein Immunsystem war total im Keller. Wen wunderts, vollgestopft mit Schmerzmittel und Antibiotika und dass Marvin das nicht verstehen konnte. Endlich nach 12 Wochen, einem Kater, der frustriert aufgegeben hatte, Kontrolle in der Klinik. Verband ab und Entlassung mit der Empfehlung Marvin darf wieder in der Wohnung sich bewegen, nun mal natürlich nicht von einem 2 Meter Schrank springen.
Die Freude und Erleichterung wurde am selben Abend in Entsetzen und Angst umgewandelt. Marvin sass im Schlafzimmer auf der Fensterbank, nach endlich 12 Wochen ohne Aussenreize, um sich endlich wieder Lebensfreude zu holen und zu beobachten. Als ich ins Zimmer laufen wollte, hatte Marvin wohl das Gefühl, dass er etwas falsches macht und sprang sofort von der Fensterbank auf Laminatboden. Den Anblick werd ich nie vergessen, er klatschte nach unten, weil die Muskulatur sein Bein nicht hielt. Mit der anderen Pfote konnte er wahrscheinlich schlimmeres abfangen. Schmerzgepeinigt hatte er sich in die noch stehende Hundebox zurückgezogen. Da wusste ich, so kann keine Katze entlassen werden. Wo ist hier die Nachsorge und Empfehlung für langsamen Muskelaufbau? Ab in die Klinik zum Röntgen, Glück im Unglück, nichts gebrochen, starke Prellung. Das hätte anders ausgehen können. Zu guter letzt dann die Aufklärung, Marvin in ein Zimmer ohne grosse Sprungmöglichkeiten, alles Abpolstern, kurze Stufenhöhen schaffen und diese langsam abbauen. Ein Zimmer unterm Dach war möglich für Marvin umzugestalten, das ganze mit Einrichtung für ihn so gut es ging. Kein Fenster für Aussenreize. Das ganze dauerte nochmal 7 Wochen. Fazit insgesamt 5 Monate keine grosse Bewegungsfreiheit, ohne Aussenreize und allein. Bis dahin hatte ich ab und an auch eine leicht aggressive Begegnung von Marvin zu mir gespürt.
Die Vorbereitung zur Zusammenführung mit den anderen Katzen habe ich sorgfältig nacheinander schon Wochen vorher angefangen. Es war inzwischen Januar 2019, ich hatte vor 7 Monaten mein Studium zur Katzenpsychologie angefangen und war genau da im richtigen Thema: Aggressionen. Trotz Zusammenführung wollte Marvin unsere Alica und Chanell in keiner Weise akzeptieren und ging auch im Zimmer aggressiv auf sie zu. Sein damals früherer Katzenkumpel Janosch erkannte ihn nicht und hatte Angst vor ihm. Marvin aber erkannte seinen Kumpel und war freudig zu ihm gelaufen, als Janosch ihn verjagte und selber flüchtete. Marvins Frustration konnte man sehen. Marvin war in Freiheit und reagierte auf Alica und Chanell extrem aggressiv. Pierro wollte er attackieren, der aber ließ sich nicht beeindrucken und signalisierte ihm ohne sein Weglaufen, Sitzenbleiben und die Pfotenschläge von Marvin geduldig einsteckend, dass er sich auf keine Auseinandersetzung einlässt. Marvin hatte das imponiert, immerhin entwickelte sich erstmal eine Freundschaft zwischen den beiden mit ausgelassenen Jagdspielen. Es war für Alica und Chanell unerträglich, sie konnten sich nicht mehr frei bewegen, standen unter psychischem Stress ob Marvin ihnen begegnet. Das obere Stockwerk hatte Marvin für seinen Bereich erklärt und fast jeden aggressiv vertrieben der es wagte nach oben zu gehen.
Hätte ich nicht meine Ausbildung für Katzenpsychologie gemacht und diese Thematik schon behandelt, hätte ich, egal wo, einen Verhaltenstherapeuten aufsuchen müssen, wenn ich nicht die psychische Verfassung von Marvin ganz ruinieren wollte. Nicht zu vergessen Alica und Chanell, denen ich die Angst und den Stress nehmen und ihr Selbstbewusstsein stärken musste. Meine Fortbildung für Resilienz "psychische Widerstandskraft der Katze stärken" war genau das richtige, damit bei meinen 2 Katzenmädels langsam aber mit Erfolg wieder das Selbstbewusstsein aufgebaut werden konnte. So war ich gefordert all mein Wissen einzusetzen, alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Es war ein langer Weg, der auch mich manchmal fast verzweifeln ließ. Mit endloser Geduld, regelmäßigem Trainingsprogramm und immer liebevollen Begegnungen zu Marvin trotz Aggressivität, ist er heute wieder ein glücklicher zufriedener Kater. Es heisst nicht, dass die Behandlung abgeschlossen ist, vielmehr werden wir immer miteinander trainieren müssen , die eingeführten Rituale mit einbeziehen und wenn doch mal ein aggressiver Anfall kommt, kann ich Marvin mit dem erlernten Trainingsprogramm abholen. Es wird uns u. U. ein Leben lang begleiten, ich werde immer unsere Therapie mit Marvin machen müssen, aber ganz ehrlich.... Sind wir das unseren Tieren nicht schuldig? Sie sind ein Familienmitglied und als solches möchte ich mein Tier begleiten, egal wie aufwändig. Sie haben es verdient, dass wir ihnen auf Augenhöhe begegnen.
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Marvin
Für blinde Seelen sind alle Katzen ähnlich.
Für Katzenliebhaber ist jede Katze, von Beginn an, absolut einzigartig.